Eine Blutwurst für King Kong Komödie in 8 Szenen |
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Personen: JetzerBen Franz Kilian, Metzger Ewig, Fleischbeschauer Wendel, Drogist Löblich, Pfarrer Prinzipal Jim, Neger Grossmutter Ada Jetzer Frau Lukesch Paula Statisten: Soldaten und Bürger
Vorübergehend in der Kleinstadt stationierte Soldaten regen den Geschäftssinn der Bürger an. Vor allem geht es um Schweine, für die Kantine und jede andere Verwendung, und da ist ein Zirkus für die Schaulustigen. Dort tritt auch der Schwarze, Jim, in mehreren Nummern auf, u.a. in der Haustier-Nummer mit den Schweinen. In der gewohnten, unbemerkten Innenwelt-Verschmutzung, bestehend aus einer schamlosen, fast operettenhaften Doppelbödigkeit, in der Tabus zwar gelten, aber auch umgangen werden können (halbheimlich genügt und halbbewusst ist noch besser). Das tatsächlich und im übertragenen Sinn Schweinische darf das Leben dieser Menschen in jeder Lebenslage bestimmen. Es ist ein Gewusel von verdrehten Bedeutungen und ein untergründiges Einverständnis aller. Man kennt sich, man weiss wo's lang geht. Aus der in früheren Stücken vorkommenden abschätzigen Redensart “jetzt bist du mein Neger” tritt dieser hier in die Wirklichkeit und wird es durch seine reine, offenherzige, fröhliche Naivität trotzdem im Sinn der Redensart: Anstatt von seiner kindlichen Unschuld zu lernen, das ist zu aufwändig, wird sie lieber missbraucht für's Geschäft, für Sensation oder auch nur für Anzüglichkeiten und die so praktische Einrichtung des Sündenbocks, bei welcher Gelegenheit alle dazu Neigenden “wieder einmal so richtig die Sau rauslassen” können. Jim lässt es ja mit sich machen, nicht? Jim merkt nicht, in was für eine Welt er da geraten ist. Spiel ist ihm alles Wirkliche ebenso wie auch sein Zirkusauftritt als "King Kong", vor dem jeweils jemand aus dem Publikum die Ballerina Paula, die Tochter des Zirkusdirektors (Prinzipal) im Zweikampf retten darf. Dieses Spiel im Spiel ist, nicht, wie z.B. in “Sterns Stunden”, Nach-Inszenierung von Geschehenem zu dessen Verarbeitung, sondern dieses Mal Vorwegnahme, Inspiration für das folgende Geschehen. Kilian, der Metzger, gewinnt nach zwei Minuten, doch als er in der Pause auf Jims Kommentar “das will nur so scheinen” handgreiflich wird, zeigt Jim ihm in wenigen Sekunden das wahre Kräfteverhältnis. Den zweiten Teil mit dem Nackttanz will der in seiner Eitelkeit Gekränkte nicht mehr anschauen; Ewig, der Fleischbeschauer und Pfarrer Löblich bleiben gern. Dieser mietet sich den Neger vom Prinzipal, dem Zirkusdirektor, als Publikumsmagnet für die Messe und auch noch zum Abstauben seines Kerzenständers, wie er es nennt, eine Arbeit, die sonst seine Ministranten Franz und Ben bekommen. Jetzer (er lebt bei der Grossmutter, seine Mutter ist gestorben und der Vater unbekannt), der endlich einmal eine Frau haben konnte - es war die in Ohnmacht gefallene Paula - trumpft damit vor den gleichaltrigen Ben und Franz auf, die um ihn aufzustacheln ihm, dem es an Selbstwert mangelt, keinen Glauben schenken. Mittels eines blasphemischen Wunders will er es beweisen. Paula muss als Heilige Maria in der Messe erscheinen. Sie spielt mit, weil sie einen Moment lang an die Echtheit seiner Gefühle glaubt. Doch winkt sie ab, als er sie, in der Überzeugung, Liebe müsse unbedingt auch rentieren, täglich dazu aufbieten will, Nach anfänglicher Verwirrung merkt Jim , dass hier alles anders gemeint ist, als es gesagt wird. Als ein Spielverderber wirkt er, weil sein Herz nicht durch Geschäftsdenken verdreht ist. Jim ist nicht nur aufrichtig, sondern auch der Stärkste, so dass man ihm nur durch selbstgerechte Hinterlist beikommen kann. Zuerst versucht man ihn einzubinden, er lässt es geschehen, durchschaut es lachend und braucht deswegen aber nicht sein Herz zu verschliessen. Aber wenn sogar eine Landeseigene umkippt, Paula, die sich selbst bestimmen und der Ausnützung durch ihren Vater entkommen will, und im schwarzen Jim den Retter des wahren Fühlens bemerkt und ihm nachzufolgen bereit ist, ist es höchste Zeit, dass man ihn wegschafft. Paula liebt Jim, den zart mit ihr umgehenden "King Kong", aber ihr Vater verbietet ihr ausserhalb der Zirkusnummer den Kontakt. Sie spürt: Jim nimmt ganz uneigennützig die Menschen in die Seele auf. Ihm wird das Schlimme nachgesagt, das man an sich selbst nicht sieht. Falls es noch nicht ganz passt, wird etwas nachgeholfen und zurechtgebogen. Zuletzt braucht es nur ein Messer, und niemand ist dagegen. Ein Metzger hat das natürlicherweise, und endlich ist Ruh. Es wird nicht gesagt: der Erlöser kommt in einer fremden, den Erwartungen nicht entsprechenden Gestalt, unangenehm ist es, man will ihn nicht bemerken. Am Ende bekommt Paula ihn, aber als Wurst aus seinem Blut, die sein Mörder, der Metzger anscheinend aus ihm gemacht hat (es ist nie klar, sprechen sie jetzt vom zu schlachtenden Schwein oder von Jim) und die sie in ihren Mund stopfen, bevor sie mit dem dummen, eifersüchtigen Jetzer verheiratet wird, der die vergewaltigte Erste nicht mehr aus der Hand gibt (die er aber so wenig kennt, dass er sie mit Jim verwechseln konnte). Der die kleinstädtische Ruhe störende Aussenseiter ist weg, wie die Soldaten, und man ist, nach einer willkommenen, sensationellen Abwechslung, endlich wieder unter sich. Und überhaupt ist es ein “happy end”: mit einer dreifachen Heirat (Kilian und Ewig haben auch für sich gesorgt) in einer vollen Kirche, die “wieder im Dorf” ist. Zochow schreckt nicht vor diesem Dreck zurück, so dass das Reine umso strahlender hervortritt. Doch bis das Reine auch siegt, als Berthe in “Drei Sterne über dem Baldachin”, ist es noch ein langer Weg der magischen Reinigung. «Eine aberwitzige Komödie über einen Schwarzen, der die kleinbürgerliche Selbstzufriedenheit einer Provinzstadt ins Wanken bringt und geschlachtet wird.» (FBE-Zeitung)
1. Szene - Vor der Metzgerei des Herrn Kilian Die Bühne ist dunkel. Eine fröhlich-rassige Marschmusik setzt ein, Soldatenschritte. Die Musik ist aus, und die Bühne wird hell. Der Metzger Kilian zieht den Rolladen seiner Metzgerei hoch. Der Fleischbeschauer Ewig und Frau Lukesch starren immer noch den Soldaten nach. Ewig Stramme Burschen. |
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