Wer hat den LÄngsten?
Tragikomödie in 10 Szenen
Theaterstücke
Frühe Stücke:
Der Blumengarten (vor 1971)
Wer hat den Längsten?
(1974/75)
Das Glockenspiel im schwarzen Palast (1974)
Die Einweihung des öffentlichen Waisenhauses (1976)
Eine Blutwurst für King Kong (1978)
Schlag mich, peitsch mich, süsser Löwe (1978)
Stück ohne Titel (1979)
Liebe Spielen (1979/80)
Die letzte Hoffnung (Libretto, 1976)
Späte Stücke:
Sterns Stunden (1981)
Aus böhmischen Dörfern
Die Reise zum Mond
Kambek
Zwischen dem Kuss und Wiesersehen
Traiskirchen (1988)
Ein Neger mit Gazelle
Drei Sterne über dem Baldachin
Die Engel von Hollywood (Dramatisierung 1989/90)
Im Schatten der Büsche (1991/92) - Manuskript-Fragment
 

 

Jahr 1972, 1974/75
Copyright Daniel Corti
Personen 1D / 5H + Statisten
Ort der Handlung in einem Knabengymnasium in Zürich
Zeit der Handlung 1972

Personen:

Rektor
Biologielehrer Klappermoos
Lateinlehrerin Klappermoos
Oedoen
, Schüler
Jucker, Schüler
Oehme, Schüler
andere Lehrer und Schüler

 

Über das Stück

Wie im 1. Stück, doch jetzt bei viel dramatischerer Handlung, ist auch hier bedingungslose Liebe noch nicht vorhanden. Glauben und Vertrauen anderer werden ausgenützt, man hat es selber nie anders erfahren und wagt aus Angst nicht den Versuch, hier einen höheren Standard selber zu setzen. Doch es ist auch eine Art Lust, im allgemeinen Morast, ohne unterzugehen auf dem Wellenbrett zu reiten.

Vertrauensvoll wird sogar mit dem, der einen gerade überlistet hat, diskutiert, wie es nun weitergehen soll, wie bei einer Anfänger-Schachpartie, und wechselt dann abrupt über zum nächsten Zug.

Es gibt im allgemeinen Schrecken und verleumderischen Klatsch auch humoristische Bilder, z.B. der wackelnde Schrank.

Frau Klappermoos, Lateinlehrerin, lebt seit Jahren in sexuell unbefriedigender Ehe mit ihrem Gatten, hinter der er sein Schwulsein verbergen kann. Jetzt fasst sie Mut, sich unabhängig zu machen, und hält sich vorläufig wie er, jedoch nicht so zaghaft wie er, der Biologielehrer, an die Schüler des Knabengymnasiums, an welchem sie beide unterrichten. Doch mittels Inspektion auf der Knabentoilette wird sie vom Rektor überführt und - sie wertet das schon als weiteren Fortschritt in ihrem Vorhaben - von ihm selbst vor dem ganzen Kollegium auf nacktem Hintern ausgepeitscht. Dass der Rektor diese Strafe verhängt, sie persönlich ausführt, und noch mehr: dass er heimlich an Wandtafeln ihn und sie betreffende erotische Zeichnungen macht, zeigt verborgen, verborgen vielleicht auch vor ihm selbst, die Richtung seines Begehrens an: die einzige Frau an der Schule. Doch der äussere Grund dafür ist nur seine Machterhaltung, denn er fürchtet um seine Stellung als Schulleiter. Jeden setzt er als Spion gegen jeden ein, angeblich um “herauszufinden”, wer diese seine Autorität untergrabenden pornographischen Zeichnungen gemacht habe, in Wahrheit jedoch, um keine Solidarität aufkommen zu lassen und, nach wie vor gefürchtet, in seiner Macht bestätigt zu sein. Das schafft das allgemeine, vergiftete Klima von Misstrauen und Angst.

Oedoen, ein kluger Schüler, aber ängstlicher “Streber”, macht sich allen beliebt als Spitzel und tut für seinen Aufstieg fast alles, “um wenigstens nicht tun zu müssen, was er nicht tun will”, verstrickt sich aber dann, da er das Spiel nicht durchschaut, und wird am Ende für alle Taten und Missetaten anderer hinhalten müssen, die unbehelligt und erst noch gestärkt daraus hervorgehen: Die schon ältere, unschöne Frau Klappermoos wird neu die “graue Eminenz”, da sie dank ihrer wagemutigen Art in einer zwar misslungenen Nötigung Oedoens aber zufällig den Rektor beim “Zeichnen” ertappt und nun ihn in ihrer Macht hat. Sie wird ihn, den von seinem Thron zu stürzen sie kein Interesse hat, am Schluss dafür zum Sex mit ihr erpressen. Und an Oedoen, der ihre grausame Rache hat erfahren müssen und der schon ganz geschwächt und willenlos einwilligt, kann sich nun endlich auch ihr Gatte, Herr Klappermoos gütlich tun.
(Daniel Corti)

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Wer hat den Längsten?

1. Szene (Blologielehrer, Lateinlehrerin, Rektor, Oedoen, Jucker, Oehme, Lehrer) Lehrerzimmer

Alle Lehrer ohne Rektor.

Biologielehrer (zur Lateinlehrerin) Eine Vollversammlung...So plötzlich, ich weiss nicht...
Lateinlehrerin Das ist immer so plötzlich. Je plötzlicher, umso schlimmer. Das gehört zu seiner Taktik: Ein Blitz aus dem heiteren Himmel.
Biologielehrer Pst. (Zeigt auf eine grosse Tür, die geschlossen ist.) Vielleicht lauscht er.
Lateinlehrerin Keine Angst. Das Opfer ist schon bestimmt. Ich bins.

Die Tür öffnet sich auf einmal mit einem grossen aber kurzen Krach. Der Rektor tritt hinein. Alle Lehrer stehen auf. Der Rektor schaut alle argwöhnisch, gemein und amüsiert an.

Rektor Mir in die Augen schauen!

Alle schauen ihm in die Augen, Der Rektor geht von einem zum anderen und schaut jedem kurz in die Augen.

Rektor (zur Lateinlehrerin) Ihre Augen funkeln nicht!
Lateinlehrerin Aber ich...
Rektor Maul halten! (ist mit der Augenkontrolle fertig) Verehrte Kolleginnen, verehrte Kollegen, setzen Sie sich! (Die Lateinlehrerin will sich auch setzen.) Nein, Sie nicht! Sie bleiben stehen. Sie werden bestraft.
Lateinlehrerin Aber ich...
Biologielehrer Pst!
Rektor Verehrte Kolleginnen, verehrte Kollegen. Bei meiner letzten Geheiminspektion habe ich Frau Doktor Klappermoos, Lateinlehrerin der Oberstufe, mit einem ihrer Schüler auf der Knabentoilette ertappt!
Biologielehrer Schon wieder!?
Rektor Ja, schon wieder. Was den Schüler betrifft, sehe ich da nur eine einzige Möglichkeit: den Ausschluss. Bei Frau Doktor Klappermoos dagegen bin ich ratlos... Entlassen kann ich sie nicht, ich muss Rücksicht auf den guten Ruf unseres Erziehungsinstituts nehmen und jeden Skandal vermeiden, andererseits aber...
Lateinlehrerin Mit meiner Bestrafung machen sie sich, lieber Herr Rektor, keine Sorgen. Ich habe mir selber eine Strafe für mich ausgedacht. Eine strenge Strafe. Bevor ich Ihnen aber sage, worum es geht möchte ich von ihnen Schläge bekommen. Schläge auf den nackten Hintern, so wie üblich.

Lateinlehrerin zeigt allen Anwesenden ihren grossen Hintern. Der Rektor hebt ihren Rock hoch und zieht ihr die Höschen herunter. Er schlägt die Lateinlehrerin auf den nackten Hintern. Sit mens sana in corpore sano!

Rektor Diesmal aber kaufen Sie sich mit den Schlägen nicht los, wohlgemerkt! So, genug, Bei Ihnen vergeht einem der Appetit auffallend schnell.

Die Lateinlehrerin bringt sich in Ordnung, sie sieht wieder sehr distinguiert aus.

Rektor Bei Ihnen macht es mir keinen Spass. So was Hässliches. Also los, was für eine Strafe ist das?
Lateinlehrerin Ich lasse mich, lieber Herr Rektor, ausstopfen!
(Pause.) Ja, ausstopfen. Ausstopfen von meinem Mann. Auch nach meinem Tode will ich nämlich den edlen Erziehungsidealen dienen. Jetzt geht es nicht immer, das Fleisch ist zu schwach für Ideale, aber nach dem Tod, ausgestopft und ohne Fleisch, wird es gehen. Nach dem Tode bin ich bereit, mich für Ihr Institut zu opfern!
Rektor Auch nach ihrem Tod wollen sie sich den Schülern nackt zeigen. Ausgestopft und nackt wollen Sie sich von ihnen bewundern lassen. Ihre nymphomanischen Neigungen kennt man. Sie sind durchschaut. Es sei, wie dem wolle, Sie erweitern unsere Tiersammlung und Ihr Mann, unser Biologielehrer, wird sich freuen, sie ausstopfen zu können. Abgesehen davon vergeht unseren Jungen die Lust auf Mädchen, wenn sie gerade an Ihnen das weibliche Geschlecht kennenlernen werden. Dann werden sie wenigstens zu Hause sitzen und Aufgaben machen. Sind Sie, Herr Klappermoos, mit der Ausstopfung Ihrer Frau einverstanden?
Biologielehrer Jawohl, Herr Rektor. Ich würde mich allerdings weigern, eine auszustopfen, die es auf der Knabentoilette mit ihren Schülern treibt. So eine verdient es nicht.
Lateinlehrerin Ich verspreche, dass ich von nun an unter allen Umständen Enthaltsamkeit üben werde und die Knaben in Ruhe lasse. ich werde keinen einzigen berühren noch vor ihnen ein doppeldeutiges Wort fallen lassen. Und sollte mein Fleisch wieder Fleisch begehren, stelle ich mich unter kalte Dusche. Ich werde, verehrte Kolleginnen und verehrte Kollegen, duschen!
Biologielehrer Dusche nur, meine Liebe, dusche, ich stopf dich dann aus!
Rektor Sie dürfen aber nicht duschen um der Belohnung willen, Sie müssen duschen aus innerer Ueberzeugung.
Lateinlehrerin Ich bin schon Jetzt eine überzeugte Duscherin.

Beifall.

Rektor Schon so weit? Zu weit, um wahr zu sein. Das ging zu schnell, die Ueberzeugung.
Lateinlehrerin Nach meinem Vergehen auf der Knabentoilette fühle ich mich nun moralisch verpflichtet, eine überzeugte Duscherin zu sein. Ich bin nämlich eine, die gehorsam und diszipliniert ist.
Rektor Sie lügen. Ihre Augen funkeln nicht, Sie sind eben nicht überzeugt. Gehorsamkeit und Disziplin sind Tugenden, ohne welche unser System nicht existieren kannte. Es sind Tugenden unter allen Umständen. Für Ihre Disziplin werden Sie, verehrte Kollegin, gelobt, für Ihre Lüge bestraft.

Die Lateinlehrerin will schon wieder Ihren Hintern entblössen.

Rektor Nein, nicht jetzt, erst später werden Sie bestraft. Duschen Sie, aber nicht allzu eifrig, nicht extrem. Das ist auch nicht gut. Für das extreme Verhalten war immer noch nur die Jugend verantwortlich, und Sie kann man zur Jugend nicht mehr zählen.

Jemand klopft stark an die Tür

Rektor (zur Lateinlehrerin) Setzen Sie sich! Herein!

Ins Lehrerzimmer stürzt Oedoen

[...]

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